Native Maisstärke kommt unter anderem bei glutenfreien Backwaren zum Einsatz.

Native Maisstärke – ein Rohstoff für Nischenmärkte

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Der zusammenfassende Artikel zur Diplomarbeit (Bachelor) «Retrogradationsverhalten von nativen Maisstärken in glutenfreien Brot- und Backwaren» beleuchtet die Schwierigkeiten im Spannungsfeld von Forschung und Produktentwicklung im Hinblick auf die Rohstoffqualität am Beispiel der nativen Maisstärke.

Glutenfreie Backwaren im Fokus
Glutenfreie Backwaren bestehen im Schnitt zu 30% aus nativer Maisstärke und diese stellt somit einen elementaren Anteil dar. Sie ist funktional, attraktiv im Preis und verhält sich bei der Beschaffung als homogenes Gut … von wegen! Der Markt für glutenfreie Brot- und Backwaren bietet unter verschiedenen Marken unzählige innovative und allergikerfreundliche Produkte. Nicht nur Zöliakiepatienten profitieren von diesem anhaltenden Trend. Die Haltbarkeit von Brot- und Backwaren ist jedoch stark eingeschränkt durch die natürliche Rekristallisierung der Stärkefraktionen Amylose und Amylopektin. Dies wird zusammen mit dem einhergehenden Wasser- und Aromaverlust als Retrogradation bezeichnet. Durch den geringeren Warenumsatz wird bei glutenfreien Backprodukten zudem eine extra lange Haltbarkeit von bis zu mehreren Monaten angestrebt.

Glutenfreie Backwaren im Fokus
In Zusammenarbeit mit Alexandra Burri, der Chefentwicklerin für glutenfreie Backwaren der JOWA AG, wurde im Rahmen einer Bachelorarbeit versucht, ein Analyseverfahren für native Maisstärke zu entwickeln, welches das Back- und Retrogradationsverhalten nativer Maisstärken in glutenfreien Produkten prognostizieren kann. Die Arbeit wurde von Dr. Katrin Kopf, wissenschaftliche Mitarbeiterin Lebensmittelverarbeitung, an der HAFL betreut.

Etwa 300 Arbeitsstunden später wird erkannt, dass es bei einem Versuch bleiben wird. Schnell wird klar, zu verschieden verhalten sich die Muster der zwölf getesteten nativen Maisstärken in den sensorischen und technologischen Aspekten. Mit diesen gewaltigen Unterschieden in den gebackenen, repräsentativen Endprodukten haben auch die Experten nicht gerechnet. Zunächst verhalten sich die Stärken in den Laboranalysen unauffällig ähnlich zueinander: Partikelgrössenverteilung, Viscogramm und enzymatische Kompositionsanalyse zeigen nur vereinzelt Abweichungen. Ganz im Gegensatz zu den gebackenen Produktmustern. Diese bestehen aus drei repräsentativen, bereits im Sortiment etablierten Rezepturen, welche unter Aufsicht in der JOWA AG produziert worden sind, wobei sich jeweils nur die Maisstärke unterscheidet. Von kleinen «bleichen Ziegelsteinchen» bishin zu sehr voluminösen Brötchen mit Rissen und grösseren Löchern war alles vertreten. Einige Gebäckmuster haben starke Fehlaromen nach Kleister, Leim oder feuchtem Keller entwickelt, andere brachten Gebäckaromen sogar besser zum Vorschein, als das Original. Die sensorische Wahrnehmung fällt differenzierter und in sich unterschiedlicher aus, als dies die eingesetzten Analysegeräte hätten erfassen können, und dies stelle den grössten unerwarteten Faktor dar. Die während der 50-tägigen Lagerung erfassten Datenpunkte bezüglich der Härte werden eher auf das Wasserbindungsvermögen der Stärken während der Teigbereitung zurückgeführt, als auf die Retrogradation an sich. Auch andere Bestandteile des Teiges, wie Fett oder Zucker, können die Backeigenschaft der Stärkekomponenten durch sterische Hinderung oder Komplexierung vermindern oder begünstigen. Diese vorhandenen Unterschiede können bisher noch nicht ausreichend analytisch festgehalten werden.

Vielfältige Einflussfaktoren
Neben beabsichtigter chemischer und physikalischer Modifizierung, was bei nativer Maisstärke und somit in dieser Arbeit entfällt, beeinflussen viele unterschiedliche Faktoren die strukturelle bzw. chemische Beschaffenheit der Stärke: Anbaukonditionen, wie die Maissorte an sich, die Qualität des Saatgutes, Nährstoffgehalt im Boden, wie auch der Dünger- und Erntezeitpunkt beeinflussen massgeblich die chemische Struktur und das Verhältnis von Amylose und Amylopektin in der Stärke. Auch die optimierten technischen Einzelschritte der Isolierung von Maisstärke können, je nach Industriestandard, variieren und unbemerkt chemische und physikalische Veränderungen verursachen. All diese aufgezählten auftretenden Variablen werden leider nirgendwo festgehalten, sodass diese Informationen für Lebensmitteltechnologenund Lebensmitteltechnologinnen, Produktentwickler und Produktentwicklerinnen sowie für Vertreibende dieses Rohstoffes später nicht einsehbar sind. Dies könnte am bereits bestehenden Umfang der Distributionskette liegen oder auch daran, dass die Relevanz dieser Angaben bisher verkannt wurde. Dabei sind die internationalen Kommunikationsschwierigkeiten bei der Beschaffung noch nicht mit eingerechnet.

Die Berücksichtigung eines einzelnen Parameters alleine wird so bald keine befriedigende Beschreibung der Retrogradation ermöglichen, zu viele, teils noch unbekannte Faktoren, greifen in das Gelsystem ein. In der konkreten Problemstellung des Rohstoffes Maisstärke scheinen vorgängige einfache Analysen zur Voraussage der Retrogradation nicht zielführend. Viel eher spielt die Reaktion der Stärkemoleküle mit Wasser und den weiteren Teigzutaten eine zentralere Rolle.

Keine Rezepturänderungen ohne sensorische Vorabklärungen
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Rohstoffqualität bei Maisstärke stark variiert und dass jeder einzelne Verarbeitungsprozess und jede Veränderung der Lebensmittelrezeptur einen grossen Einfluss auf die Funktionalität haben kann. Somit müssen Produktentwickler und Produktentwicklerinnen vor dem Einsatz neuer Stärken auf die bisher bewährte Methode der sensorischen Vorabklärungen zurückgreifen, um die gesamten Auswirkungen erfassen zu können. Die Auswirkungen in den Endprodukten, wie Fehlaromen oder Volumenschwankungen, bedingt durch den Wassergehalt, stellen nebst dem Retrogradationsverhalten äusserst relevante Aspekte dar und dürfen nicht vergessen gehen. Ein Wechsel des Lieferanten sollte also sorgfältig und langfristig geplant werden.

Katrin Masshardt Der Artikel basiert auf der Diplomarbeit (Bachelor) an der Berner Fachhochschule (BFH) «Retrogradationsverhalten von nativen Maisstärken in glutenfreien Brot- und Backwaren». Die Arbeit wurde von der Schweizerischen Gesellschaft für Lebensmittel-Wissenschaft und -Technologie mit dem «SGLWTPreis» ausgezeichnet.